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Nachgefragt: Gedenktage verlieren an Bedeutung

Gedenktagsfloristik als Schnäppchen?

von Erwin Germann

Die Gedenktage verlieren an Bedeutung, klassische Gedenktagsgestecke werden massenhaft im Lebensmitteleinzel­handel angeboten. Wie kann man dieser Entwicklung als Florist begegnen, fragten wir den Vertriebsprofi Erwin Germann aus Nürnberg.

Früher waren die Gedenktage im November ein sicheres Geschäft für Floristen, heute trifft das nur noch auf einige ländliche Regionen zu. Die Mehrheit der Konsumenten hat eine stark veränderte Einstellung zum Thema „Gedenken", auch das Sortiment sieht komplett anders aus als früher. Die Klassiker werden in guter Qualität im Lebensmitteleinzelhandel angeboten, Blumenfachgeschäfte können weder beim Preis noch bei der Vermarktung mithalten, denn hier hat der Lebensmitteleinzelhandel ganz andere Möglichkeiten und Mittel. Die Überlegung beginnt an einer anderen Stelle und zwar mit der Frage: Wollen Sie überhaupt Kunden, die Gedenktagsfloristik als Schnäppchen mitnehmen?

Die Menschen neu für das Thema sensibilisieren

Nach meiner Meinung sollten Floristen die Menschen vielmehr neu für das Thema „Gedenken" sensibilisieren. Die meisten haben das Thema aus ihrem Alltag verdrängt, jeder hofft, dass die eigene Familie möglichst verschont bleibt. Das Leben hat andere Gesetze – in jeder Familie kommt der Tag, an dem sie endgültig von einem lieben Menschen Abschied nehmen muss. Damit beginnt die Auseinandersetzung, denn nun gibt es jemanden, an den man denken will.

Naheliegend ist, das Thema bei älteren Menschen anzusprechen, zum Beispiel über die Frage: „Wie möchten Sie denn bei Ihren Lieben in Erinnerung bleiben?" So entstehen Wünsche, die völlig unterschiedlich sein können. Bei Gesprächen in betreuten Wohn- und Altersheimen höre ich häufig, dass man nicht zur Last fallen will, da die erwachsenen Kinder doch so viel zu tun haben. Da frage ich immer: „Und was haben Sie alles für Ihre Kinder getan und auf was haben Sie vielleicht verzichtet? Wäre es da nicht schön, wenn auch hin und wieder ein Wunsch von Ihnen erfüllt werden würde?" Wie oft glauben Sie, sehe ich dann ein Strahlen in den Gesichtern. Ermuntern Sie die Senioren, ihren Kindern zu sagen, was sie sich vorstellen, und auch, dass sie das mit ihrem Floristen abgestimmt haben. Ich erlebe häufig, dass auch noch so verrückte Wünsche gerne erfüllt werden, und das über Jahre. Denn jetzt geht es um den Mehrwert der Wirkung.

Höhere Preise und eine enorme Imagewirkung

Mit 08/15-Produkten zu den Gedenktagen werden Sie betriebswirtschaftlich wahrscheinlich auch nur Durchschnitt erzielen. Wenn Sie jedoch individuell abgestimmte Werkstücke gestalten, werden Sie deutlich höhere Preise und eine enorme Imagewirkung erzielen. Doch viele glauben das nicht. Aber es gibt einen Wettbewerb der Wirkung auf den Gedenkstellen. Bei meinen zahlreichen Friedhofsbesuchen, gerade in der Zeit der Gedenktage, stelle ich immer wieder fest, wie viele Menschen stehen bleiben, wenn individuelle Gedenkversionen das Grab schmücken.

In über 20 Jahren, in denen ich in dieser Branche tätig bin, habe ich an einem Gedenkort noch nie gehört, dass ein Besucher gesagt hat: „Das hat aber viel gekostet." Viel öfter höre ich, dass Menschen ihre Verbundenheit zu ihren lieben Verstorbenen zum Ausdruck bringen wollen. Mit einem BVB-Gesteck zum Beispiel, das es in keinem Fan-Shop gibt. Die Dame am Grab sagte nur: „Das war mein Mann, der BVB war sein Leben."

Das Gedenken an liebe Menschen ist ganz individuell und genau hier sehe ich den größten Ansatzpunkt. Kreativität ist die Kernkompetenz der Floristen, und es gilt, sie zu vermarkten. Immer weniger aber marschieren die Menschen geschlossen auf die Friedhöfe, die Gedenktage sind vielmehr ein Zeitraum, der zum Nachdenken anregt. Es gilt, sie aktiv zu beleben, zu etwas Persönlichem zu machen und Erinnerungen in Kombination mit floralen Elementen zuzulassen.

Gedenken ist immer möglich

Gleichzeitig möchte ich dazu animieren, die zeitliche Begrenzung in unserem Kopf aufzulösen. Gedenken ist immer möglich. Im Gegensatz zum Lebensmitteleinzelhandel, der die normalen Werbewege nutzt, sollten sich Floristen deutlich anders positionieren und mit Beispielen zeigen, wie eine Verbundenheit floristisch dargestellt werden kann.

Und zum Schluss wieder die Aufforderung: Lassen Sie alle Konsumenten über die digitalen Medien teilhaben! Diese geben Ihre Botschaft 24 Stunden am Tag für Sie weiter. Über das Internet können auch Familienangehörige in der Ferne eine Bestellung aufgeben. Es geht doch darum, den guten Gedanken mit Ihrer Hilfe lebendig werden zu lassen. Zur Dokumentation senden Sie ein Bild des Werkstücks. Gleichzeitig möchte ich Sie auffordern, uns Beispiele zu schicken, damit wir bei unseren Vorträgen darüber berichten können. Ich wünsche Ihnen, dass Sie für die Gedenktage zum floralen Experten in Ihrer Region werden.

in florieren! 10-2015