Umgang auf Augenhöhe
Zeitgemäße und wertschätzende Ausbildung
Die Ausbildung nach dem Motto die anderen haben es auch überstanden abzuwickeln, kann sich heute kein Betrieb mehr leisten. Es ist unerlässlich, zeitgemäße Rahmenbedingungen zu schaffen, Wertschätzung zu vermitteln und die Auszubildenden nicht als billige Arbeitskraft anzusehen, sondern als Investition in die Zukunft, vor allem in die Zukunft der Branche. Davon ist Berater Erwin Germann überzeugt.
Herr Germann, Sie sind viel in Betrieben unterwegs, was sind Ihre Erfahrungen in Bezug auf die Ausbildung in den Geschäften?
Ich erlebe oft, dass die Veränderungen bei den Azubis zwar wahrgenommen werden leider häufig nur negativ es ändert sich jedoch nichts am Umgang und der Struktur in den Betrieben. Leider werden gerade im Gartenbau und der Floristik die Auszubildenden als reine Arbeitskräfte eingesetzt und die eigentliche Wissensvermittlung kommt zu kurz. Es fehlt häufig einfach an Zeit für die Auszubildenden. In einigen Betrieben gibt es Ansatzpunkte und das Bemühen eine Verbesserung zu erzielen. Dies scheitert aber häufig an den fehlenden Strukturen. Letztlich kann sich der Inhaber ja nicht um alles kümmern.
Wie könnten geeignete Strukturen aussehen?
Neben dem allgemeinen Ausbildungsplan muss es auch einen betrieblichen Ausbildungsplan geben, der immer wieder hinterfragt und bearbeitet werden muss. Dafür ist es wichtig, von den Auszubildenden aktiv Feedback einzuholen, ehrlich zu fragen, was sie sich wünschen, was gut und was schlecht läuft. Vor allem nach dem Abschluss der Ausbildung sollte ein Feedback eingeholt werden. Die Chefs sollten den Absolventen einfach Mal fragen, ob er oder sie die Ausbildung noch einmal machen würde. Da bekommt man oft ganz überraschende Antworten. Wichtig ist natürlich, das Feedback der Azubis in den Ausbildungsplan einfließen zu lassen und ihn damit immer wieder anzupassen und zu verbessern. Das gibt den Auszubildenden zudem das Gefühl, ernst genommen zu werden, mitgestalten zu können. Es ist ein Zeichen von Wertschätzung, die häufig fehlt, beziehungsweise nicht kommuniziert wird.
Viele Ausbilder klagen über die aktuelle Generation der Auszubildenden. Die Jugendlichen bringen wesentliche Voraussetzungen nicht mehr mit, heißt es oft. Ist das das übliche Gejammer über die Jugend von heute" oder können Sie die Kritik nachvollziehen?
Diese Kritik soll ja schon Sokrates geäußert haben. Sicherlich gibt es Veränderungen aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklungen, jedoch gilt es die jungen Menschen abzuholen und für den Beruf zu begeistern. Ich treffe in meinen Seminaren und Vorträgen immer wieder auf Auszubildende, die wirklich Freude und Lust auf diesen Beruf haben, leider jedoch nicht in ausreichendem Maße gefördert werden. Für die Jugendlichen ist es ein enormer Sprung von der Schonwelt in der Schule und zu Hause in den beruflichen Alltag. Das fängt beim frühen Aufstehen an und anders als im Beruf, kann man sich in der Schule ja noch ganz gut durchmogeln. Bei diesem Übergang brauchen die Jugendlichen Unterstützung. Der Betrieb übernimmt mit dem Beginn der Ausbildung einen Erziehungsauftrag und ist auch für die Entwicklung der Persönlichkeit, der kommunikativen Fähigkeiten, der Fähigkeit zur Selbstorganisation und zum Stressabbau verantwortlich.
Keine leichte Aufgabe
Aber eine gut angelegte Investition in die Zukunft! Gut ausgebildete Mitarbeiter sind elementar für die Zukunft der Branche. Und für eine gute Ausbildung müssen wir weg von der Gulaschsuppe. Die Menschen sind so verschieden jeder bringt eine andere Persönlichkeit und andere Fähigkeiten mit. Darauf müssen die Ausbilder eingehen und bei jedem Auszubildenden individuell überlegen, wo er abgeholt werden muss, wie er gefordert, seine Talente gefördert werden können. Es geht darum, Talente zu entdecken, das ist nur möglich, wenn man dem Auszubildenden vielfältige Aufgaben gibt. Am besten ist es, Projekte zu schaffen, an denen der Azubi wachsen, sich ausprobieren kann und dabei auch schon mal Verantwortung übernimmt. Dann entsteht Stolz auf das Geleistete und Identifikation mit dem Betrieb und dem Beruf. Wir müssen es schaffen, die jungen Menschen für den Beruf zu begeistern. Sie müssen spüren, dass sie einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten und gerade durch den floralen Beitrag das Leben der Menschen auch in der Zukunft bereichern.
Die Abbrecherquoten sind in der Floristik sehr hoch, worin könnten die Ursachen dafür liegen?
Es ist unerlässlich, sich während der gesamten Ausbildung um den Auszubildenden zu kümmern. Gerade die persönliche Nähe zum Chef oder zum Ausbilder sorgt für ein Frühwarnsystem. Auch regelmäßige Gespräche, am besten in einem fest definierten Rhythmus helfen, Unzufriedenheit abzufangen. Wichtig ist es, den Zeitpunkt zu erkennen, an dem die Ausbildung für den Azubi zum Frust wird und die Freude an der Arbeit verloren geht.
Was fördert die Freude an der Arbeit?
Wertschätzung und Umgang auf Augenhöhe vom ersten bis zum letzten Ausbildungstag. Wenn der Auszubildende an seinem ersten Arbeitstag in das Geschäft kommt, muss alles vorbereitet sein. Er muss willkommen geheißen werden und darf nicht das Gefühl bekommen, in den Alltag zu platzen und nur nebenher zu laufen.
In einigen Betrieben herrscht ein rauer Umgangston, gerade in stressigen Zeiten, aber dann ist es wichtig, im Anschluss Danke zu sagen, für den tollen Einsatz. Vielleicht mal ein Eis auszugeben, wenn der Auszubildende tagelang nur gegossen hat. Grundsätzlich sollten sich Ausbilder immer vor Augen halten, dass die Ausbildung ein berufliches Fundament im Werden und Wachsen eines jungen Menschen bildet, ohne Bindung an einen Berufsstand. Jeder Ausbilder kann den Auszubildenden viel für das weitere Leben mitgeben, was nicht immer direkt erkannt und wertgeschätzt wird. Ich bin noch heute meinem Ausbilder und damaligen Chef dankbar, dass er mir viele Möglichkeiten gerade in der Weiterbildung ermöglicht hat und mir bereits in jungen Jahren Verantwortung übertragen hat. Das hat mich während meines gesamten beruflichen Lebens geprägt.
In: florieren! 08-2019