Flagge für den Berufsstand zeigen
Den Nachwuchs ansprechen und zeitgemäß ausbilden
Das Thema Fachkräftemangel ist allgegenwärtig. Jede Branche und jede Region ist betroffen, auch die Floristik. Der Kampf um die Zukunft des Berufsstands hat bereits begonnen. Deshalb der Aufruf an jeden Floristen: Das Fundament für den Berufsstand bildet die Ausbildung. Niemand sollte sich davon abschrecken lassen, dass die jungen Menschen anders ticken als früher. Erwin Germann gibt Tipps zum Umgang mit der Generation Z.
Anhand zahlreicher Berufsorientierungsveranstaltungen an Schulen in Bayern wissen wir, dass viele Schüler keine Ahnung von Berufen haben. Deshalb sind Floristen in jeder Region gefordert, Präsenz an den Schulen zu zeigen. Gerade Floristen haben für die Ansprache einen Vorteil, der sie von anderen Berufen unterscheidet: Kreativität und handwerkliches Geschick in Kombination mit Menschen und Anlässen während des ganzen Lebens. Es gilt, Flagge für den Berufsstand zu zeigen. Immer wieder hören wir von falschen Vorstellungen und Erwartungen der jungen Menschen der neue Ansatz liegt nicht in den Schulnoten, sondern in den Fähigkeiten und Stärken. Die Generation Z ist eben anders. Doch schon immer schimpften die Alten über die schlechten Eigenschaften und verrückten Ansichten der jungen Generation und doch hat sich vieles positiv entwickelt, wir leben in einer bunten und modernen Welt.
Der erste Kontakt ist wahrscheinlich digital
Bei der Ansprache von Schulabgängern sollte man immer bedenken, dass der erste Kontakt mit ihrem Betrieb wahrscheinlich digital ist. Also muss es auf Ihrer Homepage Informationen über die Ausbildung geben. Wenn Sie Mut haben, sagen Sie per Videoaufzeichnung, warum ein junger Mensch gerade bei Ihnen eine Ausbildung machen sollte. Das ist authentisch und ehrlich. Zwei Minuten reichen! Am besten ist ein eigener Link mit verständlicher Beschreibung und Bildern von echten Azubis bei verschiedenen Arbeiten. Die Botschaft muss glaubhaft und ansprechend sein. So wird klar vermittelt: Dieser Betrieb hat den Zeitgeist verstanden.
Zusätzlich sollte man persönlich den Kontakt zu den Multiplikatoren an den Schulen suchen und bei sämtlichen Möglichkeiten Präsenz zeigen. Am besten zusammen mit Auszubildenden das senkt erfahrungsgemäß die Hemmschwelle.
Gleichzeitig gehört es heute für jeden Betrieb dazu, sich auf regionalen Ausbildungsmessen zu präsentieren und moderne Formen wie Speed-Datings mitzumachen. Das ist eben heute so!
Es gehört heute ebenfalls dazu, Interessierten einen Probetag oder ein Praktikum anzubieten. Das Praktikum ist die beste Werbemaschine für Ihren Betrieb, denn hinter jedem Schüler steckt ein potenzieller Kunde (mit Familie). Völlig egal, ob der Praktikant sich letztendlich für Ihren Betrieb entscheidet: Er muss die Faszination der Floristik erleben. Jeder Praktikant muss spüren, dass Sie sich auf diesen Termin vorbereitet haben, um einen bestmöglichen Einblick in den Beruf und den Betrieb zu gewähren. Wenn sich ein motivierter Praktikant wie ein fünftes Rad am Wagen fühlt und durch die Probe-Tage quälen muss, ist das eine Schlappe für jeden Chef und Ausbilder.
Wer zukünftig gewinnen will, muss sich vorher genau überlegen, wie ein solcher Tag oder eine Woche ablaufen muss. Es kann nur um einen Einblick gehen, doch die jungen Menschen nehmen viel mehr mit als viele Chefs denken: Bereits während des Praktikums läuft der Austausch über Facebook & Co.
Entscheidend ist auch die persönliche Beziehung zum Chef oder zur Chefin. Mindestens zu Beginn und am Ende des Praktikums muss es ein ausführliches Gespräch geben. Gerade die kleinen Betriebe haben hier einen Vorteil. Nehmen Sie sich Zeit, lernen Sie den Praktikanten kennen. Ermitteln Sie mit Ihrer Erfahrung und Menschenkenntnis die Potenziale, die in dem jungen Menschen stecken. Dafür müssen wir ein Gespür entwickeln.
Und zum Schluss empfehlen wir: Geben Sie jedem Praktikanten am Ende des Praktikums etwas mit nach Hause. Es gibt keine bessere Werbung für Ihren Betrieb.
Der Chef übernimmt einen Erziehungsauftrag
Jeder selbstständige Floristikmeister in Deutschland sollte mindestens einen Auszubildenden haben und seine Erfahrungen und sein Wissen weitergeben. Gleichzeitig sollte jedem Chef bewusst sein, dass er heute mit der Ausbildung einen Erziehungsauftrag übernimmt, sowohl bei jungen Menschen, die aus einem schwierigen Umfeld kommen als auch bei Azubis, die von ihren Eltern zu unselbstständigen, verweichlichten Wesen herangezogen wurden. Jegliche Anstrengung wurde ihnen abgenommen, die Fürsorge ist 150 %. Ein solches Wesen steht jetzt vielleicht vor Ihnen. Durch die Ausbildung können Sie eine Menge dazu beitragen, wie der Lebensweg weitergeht.
Es muss Ihnen bewusst sein, dass Ausbildung nach dem Motto so haben wir das schon immer gemacht" nicht mehr funktioniert. Sie haben es heute mit der Generation Z zu tun, den Kindern des globalisierten Internetzeitalters. Perfekt vernetzt, das Handy in der Hand und die Kopfhörer auf den Ohren.
Immer wieder muss ich in der Praxis erleben, dass sich viele Betriebe nicht auf den ersten Arbeitstag ihres Azubis vorbereiten, sondern überrascht sind. Dabei sollten Auszubildende bereits im Vorfeld per EMail informiert werden, wann es losgeht und was gerade am Anfang zu beachten ist. Zusätzlich sollten Sie die besorgten Eltern mit einigen wichtigen Eckdaten versorgen, was den reibungslosen Start in diesen neuen Lebensabschnitt betrifft.
Zeigen Sie dem Nachwuchs von Anfang an, dass Sie einen Plan für die betriebliche Ausbildung haben. Der Chef ist dafür verantwortlich, dass der junge Mensch das Rüstzeug für den Beruf lernt. Er muss nicht alles selbst machen, doch sollte der Auszubildende die Werte und Erwartungen seines Chefs kennen und nicht nur seine Stimmungen.
Regelmäßig mit dem Azubi in Kontakt treten
Zu den Anforderungen an Ausbildungsbetriebe gibt es klare Vorgaben, die in der Praxis oft missachtet werden. Ein klare Vorgabe und auch Kontrolle sollte beim Berichtsheft liegen. Es ist ein hervorragendes Medium, um regelmäßig mit dem Auszubildenden in Kontakt zu kommen nicht erst unter Stress kurz vor der Prüfung. Gerade für schulisch schwächere Auszubildende gibt es heute zahlreiche Möglichkeiten zur Unterstützung.
Zu einer zeitgemäßen Ausbildung gehört es, einen größeren Horizont über den Betrieb hinaus zu vermitteln. Viele Azubis kennen nur den Ausbildungsbetrieb. Nehmen Sie die Auszubildenden, je nach Wissenstand und persönlichen Interessen, gezielt mit zu Kunden und Lieferanten, zum Großmarkt oder zu eine Fachmesse.
Stellen Sie immer wieder neue kleine Aufgaben! Steigern Sie die Anforderungen im Verlauf der Ausbildung! Die Begriffe fördern" und fordern" haben eine klare Berechtigung in der Ausbildung.
Viele Betriebe sind so stark im Arbeitsalltag verwurzelt, dass völlig vergessen wird, frühzeitig klare Signale zu senden, ob der Azubi übernommen wird. Aber ohne Perspektiven und Optionen gibt es auch keinen Anreiz. In vielen Betrieben werden die guten Auszubildenden übernommen. Auch dieser Moment sollte gewürdigt werden man sollte nicht einfach weitermachen wie bisher.
Gerade am Ende der Ausbildung können Chefs nochmals ordentlich auf ein gutes Zeugnis hinwirken. Es ist eine Leistung, eine Ausbildung gut" oder sehr gut" zu beenden. Dafür fehlt es häufig an Wertschätzung. Nutzen Sie diese Gelegenheit, die Auszubildenden in den Vordergrund zu stellen und zeigen Sie mit Stolz auf das Ergebnis. Es genügt, ein aktuelles Foto im Betrieb mit Glückwünschen zur bestandenen Abschlussprüfung zu platzieren, dazu ein kleiner Beitrag auf der Homepage. Das wird positiv wahrgenommen nicht nur von dem Auszubildenden, sondern auch von Kunden.
Noch eine Geschichte zum Schluss: Ein Top-Hotelier aus Nürnberg hat mir verraten, dass er jedem Auszubildenden nach einer Top-Ausbildung ein teures persönliches Geschenk macht. Auch wenn viele ihre Karriere woanders machen, denken sie daran immer wieder gerne. Und schon mehrere Male hat genau dies für eine Rückkehr oder zur kurzfristigen Aushilfe in einer Engpasssituation geführt.
Zusatzqualifikation für Azubis
Azubis wissen zu schätzen, wenn man ihnen Möglichkeiten zur Qualifikation bietet. GERMANN Vertrieb & Personal hat für kaufmännische Berufe eine Azubi-Zusatzqualifikation entwickelt, die aus zehn Themenmodulen besteht (Persönlichkeit, Kommunikation, Selbstorganisation, Verkaufen etc.) und bereits bei einigen Handelsunternehmen etabliert wurde. Nach jedem Modul muss eine Prüfung abgelegt werden. Es gibt bereits die ersten neuen Auszubildenden, die sich gerade wegen der Zusatzseminare für die Betriebe entschieden haben.
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