Azubis gewinnen und halten
Die Herausforderung 2022
Viele Betriebe leiden an einer Überalterung sowie Fachkräftemangel und fehlendem Nachwuchs. Das höre ich immer wieder bei Gesprächen, Vorträgen und Schulungen in Betrieben. Potenzielle Auszubildende und Mitarbeiter/-innen kennen die Branche kaum oder gar nicht, und bei der aktuellen Suche nach interessanten Traumberufen spielt die Branche keine Rolle. Der entscheidende Faktor ist Kommunikation nach außen und innen.
Wer Fachkräfte sucht, muss sich bewusst machen, dass die Nachfrage nach potenziellen Auszubildenden mit guten Schulabschlüssen höher ist als die Anzahl dieser Schüler und Abiturienten. Das führt dazu, dass Auszubildende auswählen können, wo sie eine Ausbildung machen wollen. Weil Betriebe nur überleben werden, wenn sie ausreichend und qualifiziertes Personal haben, gilt es, zu einem attraktiven Ausbildungsbetrieb zu werden.
Grundvoraussetzung hierfür ist eine ansprechende und moderne Website als Aushängeschild für den Betrieb. Der digitale Auftritt sollte lebendig und persönlich wirken. Aktuelle Social-Media-Kanäle zeigen Aktivität und werden gerade von der jungen Generation wahrgenommen. Es empfiehlt sich also, aktuelle Bilder der jeweiligen Ansprechpartner und spannende Bilder von Auszubildenden in Aktion auf der Website zu integrieren.
Die Art und Weise, wie man mit potenziellen Azubis in Kontakt kommt, hat sich verändert. Die Regel für heute lautet: Der erste Kontakt ist zu 99 % digital. Wir müssen also digital sichtbar werden. Die Ansprache ist jugendlich und kann im ersten Schritt per Du erfolgen, zum Beispiel Du suchst eine Herausforderung wir suchen dich Du hast Freude an ...
Die Kommunikation beginnt auf der Startseite der Website und nicht mit einer klassischen Stellenanzeige. Weisen Sie auf eine interessante Perspektive in einem großartigen Team hin! Dies muss durch aktuelle Bilder unter Berücksichtigung der DSGVO untermauert werden. Am besten ist ein persönlicher Aufruf durch einen Kollegen, den Inhaber oder Ausbilder.
Die Kontaktaufnahme sollte für potenzielle Auszubildende so einfach wie möglich sein. Dafür brauchen wir zunächst nur wenige Informationen. Besteht der Kontakt, sendet man dem jungen Menschen einen kurzen Abfragebogen zu, der gegebenenfalls auch auf der Website hinterlegt ist. Der nächste Kontakt kann bereits per Videokonferenz erfolgen. Fangen Sie an, neue Wege zu gehen! Das ist für alle Beteiligten einfacher und zeitsparender.
Regionale Positionierung als attraktiver Familienbetrieb
Um den Betrieb als Arbeitgebermarke zu positionieren, müssen Sie nachweislich zufriedene Mitarbeiter haben. Grundpfeiler für die Glaubwürdigkeit ist ein erlebbar gutes Betriebsklima. Nur wenn die potenziellen Auszubildenden spüren, dass eine echte Willkommenskultur besteht, werden motivierte und kompetente junge Menschen erreicht. Vermarkten Sie sich in der digitalen Welt, um neue Talente zu gewinnen! Veröffentlichen Sie Bilder, Videos und Statements von Azubis, um sich als attraktiver Ausbildungsbetrieb zu präsentieren!
Solche Aktivitäten müssen durch ein aktives Netzwerk zu den Multiplikatoren an den verschiedenen Stellen ergänzt werden, zum Beispiel Schulen. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, als Ausbildungsbetrieb in der Region präsent zu sein.
Zu den weiteren Möglichkeiten, sich als regionaler Ausbildungsbetrieb bekannt zu machen, gehört digitale Mundpropaganda, zum Beispiel über gute Arbeitgeberbewertungen auf Online-Plattformen wie www.kununu.com. Auf diesen Plattformen können sich Betriebe auch präsentieren und Bewertungen kommentieren. Das sollten Betriebe auf jeden Fall nutzen. Die Präsenz auf den wichtigen Bewertungsplattformen ist ein Muss für jedes Unternehmen in der Branche. Gleichzeitig muss jedem Personalverantwortlichen klar sein, dass er für positive und ausreichende Bewertungen sorgen muss und zwar in allen Rubriken: Mitarbeiter - Bewerber - Azubis. Jedes Jahr muss es mindestens je zwei aktuelle Bewertungen geben.
Zeitgemäßer Umgang mit Auszubildenden
Wer Azubis gefunden hat, muss anders mit ihnen umgehen als noch vor 10 bis 15 Jahren. Der Nachweis eines Auszubildenden-Scheins (AdA-Schein) ist leider für den Umgang mit Azubis von heute nur Makulatur. Auch neuen Anwärtern wird der zeitgemäße Umgang mit der jungen Generation nicht vermittelt. Ausbilder brauchen heute zwangsläufig andere Fähigkeiten. Denken Sie gleichzeitig daran, dass jeder Ausbilder zukünftig ohne es falsch zu verstehen einen gewissen Erziehungsauftrag zur Persönlichkeitsbildung übernehmen muss, wenn betriebliche Regeln und Vorgaben durchgängig eingehalten werden sollen.
Beim Verhalten gilt, dass Ausbilder alles, was sie von ihren Azubis erwarten, vorleben müssen, egal, ob es um Auftreten, Pünktlichkeit, Ordnung oder Verlässlichkeit geht. Auszubildende sind durch die virtuelle Prägung visuell stärker fokussiert und nehmen sehr genau den Unterschied zwischen der formulierten Erwartung und dem tatsächlichen Verhalten wahr.
Vor und insbesondere während der Ausbildung muss das Informationsverhalten durchgängig auf ein anderes Niveau gestellt werden. Nur wenn Azubis die Grundlagen verstanden haben, kann Aufbau- und Spezialwissen vermittelt werden. Damit Auszubildende die Fürsorge des Ausbilders spüren, ist es wichtig, ausreichend Zeit gemeinsam zu verbringen egal, ob gemeinsam gearbeitet wird oder eine gemeinsame Aktion erfolgt. Nur wenn Ausbilder wissen, wie ihre Azubis ticken, können sie gezielt mobilisieren.
Zeiträume der Interaktion zwischen Azubi und Ausbilder sind wichtig für eine Einschätzung und die Vertrauensbildung. Ausbilder müssen lernen, ihre Azubis regelmäßig einzuschätzen, die Einschätzung zu dokumentieren und darüber zu informieren. Gerade während der Ausbildung durchlaufen die jungen Menschen eine gewaltige Entwicklung in ihrer Persönlichkeit.
Von Anfang an und regelmäßig Feedback geben
Neuer Bestandteil für eine zeitgemäße Ausbildung ist eine gelebte Feedbackkultur. Die Azubis haben eine andere Wahrnehmung, und davon können Betriebe profitieren. Dies gelingt jedoch nur, wenn ein Feedback von Anfang an und regelmäßig erfolgt.
Durch den ehrlichen Umgang mit kritischen Punkten erhält jeder Ausbildungsbetrieb konkrete Denkansätze zur Optimierung. Erfahrungsgemäß sind es oft kleine Veränderungen, die für eine andere Akzeptanz bei den zukünftigen Auszubildenden sorgt. Entscheidend ist das Zulassen anderer Meinungen aufgrund anderer Erfahrungen und Erwartungen der Auszubildenden. Gleichzeitig müssen die Ausbilder bereit sein, den Azubis etwas zuzutrauen. Die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, ist bei der Generation Z anders ausgeprägt. Hier gilt es, in kleinen Schritten individuell zu wachsen.
Ausbildungsbotschafter für Ihren Betrieb
Am Ende einer Ausbildung müssen die Azubis Ihre größten Fans sein. Dann können Sie sie getrost als Ausbildungsbotschafter/-in nutzen. Es bringt nichts, schöne Bilder zu machen, Videos zu drehen oder Flyer über Auszubildende zu drucken. Aktuell die höchste Glaubwürdigkeit für den Betrieb ist es, wenn es diese Menschen zum Anfassen gibt.
Ausbildungsbotschafter können eingesetzt werden, um in Schulen, auf Messen und im Bekanntenkreis für Ihren Betrieb zu werben. Immer wieder erlebe ich, dass sich erfahrene Personalverantwortliche wundern, dass sie auf Ausbildungsmessen nicht angesprochen werden. Dabei ist es doch normal, dass pubertierende junge Menschen lieber mit ihresgleichen sprechen. Azubis sollten die Gelegenheit bekommen, als Botschafter und Scout zu agieren. Das Standbewacher-Prinzip führt nicht weiter, es reicht, wenn ein Vertreter am Stand ist. Der Kollege sollte dort sein, wo sich die jungen Menschen aufhlaten, Kontakte knüpfen und gezielt junge Damen und Herren einladen, am Stand oder im Unternehmen vorbeizukommen.
Auszubildende bilden das Fundament für die Branche. Natürlich ist es schön, wenn die Azubis nach der Ausbildung bleiben, aber eine Bindung bis zur Rente im gleichen Betrieb werden wir nicht mehr erleben. Die große Chance für alle Betriebe liegt darin, die verbleibenden Zeiträume optimal für alle Beteiligten zu nutzen.
Am wichtigsten: das Team und das Arbeitsklima
Das Arbeitsklima und das Team sind heute die beiden wichtigsten Bindefaktoren. In einem tollen Team zu arbeiten, gemeinsam die Herausforderung des Alltags zu meistern und dabei noch Spaß zu haben, das ist die neue Challenge. Jeder Betrieb, der diese Anforderung neben dem Tagesgeschäft erfüllt, kann sicher sein, dass Mitarbeiter in diesem Betrieb gerne länger bleiben und sich voll mit diesem Team identifizieren. Jeder Personalverantwortliche sollte sich Gedanken machen, wie das gelingen kann. Es lohnt sich doppelt, denn zufriedene Mitarbeiter sind nachweislich produktiver und loyaler.
In: florieren! 07/2022